Unterwasserphotographie – ein kritischer Kommentar

12Von Kerstin Basilewitsch

Fast jeder kommerzielle und nicht kommerzielle Tauchsportverband hat inzwischen ein Spezialkurs „Photo & Video“ im Programm. In Zeiten von Facebook, Instagram und Co. möchte jeder seine Unterwassererlebnisse festhalten und mit seinen Freunden teilen.

Trotzdem sollte man dieses Verhalten und das Kursangebot kritisch hinterfragen. Grundvoraussetzung für das Filmen und Fotografieren sind meines Erachtens 4 Punkte:

  1. Sehr gute Tarierfähigkeiten
  2. Blinder Umgang mit der Tauchausrüstung
  3. Ein großes Wissen über die Unterwasserwelt
  4. Beherrschung der Kamera

Wenn nur eine dieser Bedingungen nicht erfüllt wird, gehört ein Taucher nicht in einen Spezialkurs „Photo & Video“ oder gar mit Kamera ins Freiwasser. Die Bedienung der Kamera und den Umgang mit einem vernünftigen Bildbearbeitungsprogramm lernt man nicht mal eben in einem Spezialkurs. Wer auch noch Probleme mit dem Schweben auf der Stelle hat, sollte zunächst das Specialty „Perfect Buoyancy“ und einen Workshop „Flossenschläge“ wählen, um sich dann an das Fotografieren und Filmen im Schwimmbad heranzuwagen. Im Schwimmbad spricht in meinen Augen nichts gegen erste Versuche in dieser Richtung. Anschließend sollte man aber selbstkritisch sein und sich hinterfragen. Kann ich das wirklich schon? Wenn nicht, trägt jeder mit seinem Verhalten nur zur weiteren Zerstörung der Unterwasserwelt bei.

Mich ärgert es jedes Mal, wenn ich fotografierende Taucher sehe, die es nicht können. Auf den Malediven macht jemand seine erste Safari, hat wenig Tauchgänge und keine Strömungserfahrung und muss sofort seine GoPro mitnehmen. Ergebnis: Kamera abgesoffen, in die Steilwand geknallt und Korallen abgebrochen. In Hemmoor muss jeder das fünfzigste Foto vom Rüttler oder dem Flugzeug haben – egal ob der Grund aufgewühlt wird oder nicht. Muss das wirklich sein?

Auch bei namhaften Unterwasserphotographen habe ich manchmal so meine Zweifel, ob ihr Wissen über die Unterwasserwelt wirklich ausreicht. Da werden Oktopusse aus Spalten gezerrt, damit es fürs nächste Foto passt. Oder es werden gleich Korallen abgebrochen, weil sie den Bildaufbau stören.
Fast jeder Unterwasserphotograph hat in seinem Portfolio Bilder von Pygmäenseepferdchen und Blauringoktopussen. Pygmäenseepferdchen werden von den Guides aufgespürt und häufig fürs Foto umgesetzt. Anschließend prasselt ein Blitzlichtgewitter auf die armen Tiere nieder, nicht wissend, dass diese Winzlinge keine Augenlider haben, die sie schließen können. Im schlimmsten Fall erblinden diese Tiere, was die Überlebenschancen dieser gefährdeten Tierart nicht gerade erhöht.
Blauringoktopusse zeigen ihre blauen Ringel nur, wenn sie sich bedroht oder bedrängt fühlen. Sie warnen damit ihre Feinde oder sich annähernde Taucher. Jedes Foto mit Blauringoktopus, auf dem die blauen Ringel deutlich zu sehen sind, zeigt ein gestresstes Tier.

Insgesamt sind häufig warnende und gestresste Tiere auf Fotos und Videos zu sehen. Selbst aus heimischen Gewässern. Schon mal Bilder eines Zanders gesehen? Die meisten Fotos werden im Frühjahr geschossen, während die Männchen die Nester bewachen. Die Männchen sind dann entsprechend aggressiv und stellen die Rückenflosse imposant auf. Fakt ist, dass sie bei der Brutpflege gestört werden und zusätzliche Energie für das Verjagen der Taucher verbrauchen.

Bitte, bitte, bitte, erfreut euch an der Unterwasserwelt und lasst die Kamera zu Hause – oder verbessert eure Fähigkeiten soweit, dass die Unterwasserwelt keinen Schaden nimmt!