Zu Besuch bei den Prelle-Hechten

Gerätetauchen macht hier ebenso viel Spaß wie Schnorcheln

Im Steinbruchsee Prelle wächst gerade eine neue Generation Hechte heran. Im derzeit kühlen Frühling sind die jugendlichen Raubfische noch dünn und höchstens Unterarm-lang. Doch das wird sich bald ändern: Sobald nach den Laichzeiten die erst zentimetergroßen und später bis fingerlangen Jungfische anderer Arten in Massen herumschwimmen, werden diese Hechte jagen und fressen, fressen und jagen – und rasch wachsen. Merke: wer in Hecht-Kreisen im dritten Sommer keine 50 cm Länge schafft, kommt energetisch nicht über den Winter. Dazu haben sich die Hechte sich schon clever im See verteilt. Und das geht so:

Hechte verteilen sich instinktiv über die vorhandenen Einstände und Reviere eines Sees. Dazu wurden am Institut für Binnenfischerei und Gewässerökologie Berlin Versuche mit besenderten Hechten gemacht. Dabei wurden deren Bewegungsmuster GPS-gestützt aufgezeichnet. Insgesamt ergab sich hinsichtlich der Jagd-Aktivitäten eine ungefähre Dreiteilung eines Hecht-Bestandes.

Etwa ein Viertel der schnellen Räuber wählt ein ruhiges Dasein: Dies sind die sogenannten Schilfhechte. Schilfhechte lauern immer im Schilf und ihre geradezu faul wirkende Jagdaktivität besteht darin, mit einem Vorstoß von durchschnittlich nur einer halben Körperlänge Beutefische zu schnappen. Bloß kein Stress! Das gelingt selten, weil die Beutefische „Maul-gerecht“ herankommen müssen. Außerdem meiden viele fressbare Fische das ganz dicht stehende Röhricht, weil es sie an der Flucht hindert. Das ist jedoch egal, wer so ruhig lebt, braucht wenig Energie. Im Röhricht genau gegenüber des Prelle-Einstieges sieht man zuweilen einen solchen Kandidaten. Der steckt so dicht im Schilf, dass auf Fotos oft sogar die Augen verdeckt werden.

Ein weiteres Viertel der Hechte steht zumindest während des Sommers immer an bestimmten Krautbänken oder veralgten Althölzern. Wissenschaftlich-modern heißt ihr Revier home range. Solche Exemplare mit festem Revier beobachten wir in der Prelle oft an den lang aufragenden Wäldern des Ährigen Tausendblattes. Diese Hechte bleiben überwiegend in der Nähe ihres gut bekannten Standortes, wo sie sogar jede minimale Veränderung eines Schattenwurfes alarmiert. Die sogenannten Krauthechte fixieren ihre Beute mit den Augen, beschleunigen in Sekundenbruchteilen auf 30-40 km/h und haben Erfolg! Falls nicht, verfolgen sie Beutefische nur wenige Meter. Sie leben ein durchschnittliches Hechtleben.

Eine knappe Hälfte aller Hechte wird von den Limnologen als Nahrungsopportunisten bezeichnet. Ihnen ist ein bestimmtes Revier eher egal, sie stehen auch mitten im sommerwarmen Freiwasser, und sie jagen mit erheblichem Bewegungsaufwand in der Abend-Dämmerung und nachts. Diese Hechte machen am meisten Beute, doch sie verbrauchen auch am meisten Energie. Hechte dieser Art sehen wir auch in der Prelle mitten im See, aber ebenso unter völlig kahlen Felsüberhängen, zuweilen in der Gesellschaft von Barschen. Diese „Begleit-Barsche“ sind dann jedoch so groß, dass sie vom Junghecht nicht verschlungen werden können.

Was wir Taucher wahrnehmen, sind natürlich immer nur Mosaiksteinchen aus dem komplexen Bild des aquatischen Lebens. Die Augenblicksbeobachtungen können wir uns zu einem Gesamtbild zusammendenken. Dazu sind Gerätetauchgänge in der Prelle ebenso geeignet wie Schnorchel-Runden. Hechte faszinieren, und während wir sie suchen, begegnen wir auch Barschschwärmen, Plötzen, Schleien, Süßwasserpolypen, Wasserkäfern und vielem anderen mehr. In den Wänden sehen wir die Hinterlassenschaften des Bergbaues. Wir können uns die naturkundlichen Zusammenhänge vorstellen oder zusammenphilosophieren, aber genauso einfach nur die Schönheit der Natur genießen. Das erlebt ein jeder etwas anders. Ein Besuch in der Prelle, dem „Zweit-See“ der Tauchschule Dresden, lohnt sich immer. Danach gibt es auf der Seeterrasse am Haustein-See immer viel zu erzählen, sei es beim Kaffee oder beim Deko-Bier.

Bilder und Text: Falk Wieland