Harndrang unter Wasser: Darum müssen Taucher so häufig

Wer taucht, muss ständig, man verzeihe an dieser Stelle die offenen Worte, Pipi. Strullern, pullern, pinkeln, pieseln, schiffen, pissen, sich erleichtern, urinieren. Der Taucher kann wirklich nichts  dafür, es ist reine Physiologie, die da aus seiner prall gefüllten Blase spricht und ihn mit üblem Harndrang quält. 

Kaum im Wasser, meldet sich die Blase: „Entschuldigung, ich würde gerne mal geleert werden.“ Als Taucher beginnt dann die innere Beschimpfung eigener Körperteile: „Ruhe! Wir waren doch gerade noch auf Klo. Das ist doch reine Schikane.“ Die Blase brummelt dann irgendwas und man hofft, das nervige Ding eingeschüchtert zu haben, bis sie wie ein nörgelndes Kind auf der Autofahrt in den Sommerurlaub zu jammern anfängt: „Wie lange noooch? Haaalllooooo… Kann ich jetzt?“ Spätestens dann beginnt der Taucher, im Zweiminutentakt auf die Uhr zu blicken und eine Strategie zu planen, um nach dem Tauchgang möglichst schnell aus dem Anzug zu kommen und der nahezu erpresserischen Blase ihre Forderung zu erfüllen.

Das Ganze hat einen Namen: Taucherdiurese. Diurese ist die vermehrte Harnproduktion, und mit der haben Taucher aus zwei Gründen zu tun: Erstens wirken die engen Neoprenanzüge wie Kompressionsstrümpfe und drücken Blut aus den Beinen in Richtung Körpermitte. Einen ähnlichen Effekt hat die ungewohnte Körperlage: Wer normalerweise aufrecht an Land unterwegs ist, nun aber lässig mindestens horizontal, meistens aber mit den Füßen im Helikopter-Stil über dem Kopf taucht, schickt das Beinblut in den eine andere Richtung. Zweitens ziehen sich, wenn Taucher frieren, die Gefäße zusammen. Diese müssen aber die überschüssige Flüssigkeit, die nun nicht mehr so gut durchpasst, loswerden und pumpen sie in die Herzgegend.

Herz an Nieren: Einfach mal laufen lassen

Da nun alle Gefäße und Gliedmaßen Blut, das sie nicht gebrauchen können, fröhlich in den Brustbereich pumpen, zieht das eine Reaktion nach sich. Einen Pipi-Protest sozusagen. Denn Rezeptoren am Herzen melden angesichts des ungeplanten Blutzuschusses: Hier ist zu viel Volumen – und öffnen dann ihrerseits die Schleusen, um Druck abzulassen, indem sie die Niere anweisen, mal ordentlich Flüssigkeit abzugeben, um dieses Übervolumen auszugleichen. Taucher können also gar nichts dafür, dass sie ständig müssen – und sollten auf keinen Fall versuchen, dem Harndrang durch Nichttrinken entgegenzuwirken. Das funktioniert erstens nicht und ist zweitens nicht gut für die Gesundheit.

Der eine oder andere Taucher lässt sich vom Blasendruck derart einschüchtern, dass er noch unter Wasser sämtliche Forderungen erfüllt. Er hält das für sehr unauffällig, vergisst aber: Man riecht es spätestens dann, wenn die Anzüge zum Trocknen in der Sonnen hängen und vom Geruch einer Bahnhofstoilette umweht werden.

Es gibt indes Neoprenanzüge mit Frontreißverschlüssen, die – zumindest bei den Herrenmodellen – von unten und oben zu öffnen sind. Wer im Trocki unterwegs ist, für den ist das keine Option. Aber auch da gibt es mehr oder weniger skurrile Vorrichtungen wie kondomartige Pullerbeutel oder Pinkelventile, die lange Tauchgänge erträglich machen. Für Frauen sind Varianten wie She-P auf dem Markt.

Ach ja: Dass man nicht in Leihanzüge strullert, versteht sich hoffentlich von selbst und sollte nach Regel Nummer eins („Halte niemals die Luft an unter Wasser“) unbedingt als Regel Nummer zwei in sämtliche Lehrbücher aufgenommen werden.

cku