Freediving – die Freiheit einfach mal die Luft anhalten zu dürfen

Ein Beitrag von Anke Kuchem Tl instructor Freediving und Co Autorin des Lehrbuches vom I.A.C. Freediver Level **

Das Freediving erfreut sich in den letzten Jahren immer größerer Beliebtheit. War es lange Zeit nur ein Extremsport, den ein paar wenige Taucher ausgeübt haben, gibt es inzwischen immer mehr Menschen, die entdecken, was für eine Bereicherung dieser Sport sein kann. Vielen ist das Freitauchen auch unter dem Begriff Apnoetauchen bekannt. Das Wort Apnoe kommt aus dem Griechischen und bedeutet (a-pnoe) “ohne Luft”.  Mit diesem Wort verbinden allerdings viele Menschen eher ein unangenehmes Gefühl, das Gefühl von Atemnot, von Beklemmung, Druck. Doch genau das sollte es nicht sein, sondern der Schwerpunkt liegt eher darauf, einfach mal nicht atmen zu müssen. Darum hat sich in vielen Verbänden inzwischen das Wort Freediving oder auch Freitauchen durchgesetzt.

Aber was genau macht nun das Freitauchen aus? Es gibt unterschiedliche Gründe, warum  sich jemand für das Freitauchen entscheidet. Der eine mag den Wettkampfgedanken an diesem Sport – immer länger, immer tiefer oder immer weiter tauchen zu können. Er liebt es, sich mit anderen zu messen und seine Grenzen stets neu auszutesten. Der andere liebt die Entspannung, das Loslassen, das Einssein mit sich selbst und mit dem Wasser. Mancher  liebt die eleganten Bewegungen mit den langen Flossen, das schwerelose Gleiten durch das Wasser. Wenn wir als Freediver durch den See tauchen, ist diese Bewegung so leise und leicht, dass die Fische vor uns nicht Reißaus nehmen, sondern oftmals können wir mitten durch einen Schwarm gleiten und uns wie ein Teil dieses Schwarms erleben, ohne dass dieser auseinandertreibt. Es ist uns möglich mit Delphinen zu tanzen oder einem Walhai ganz nah zu kommen.

Oftmals kommen Taucher zu mir, dir für ihre nächste Brevetstufe beim Gerätetauchen lernen wollen, wie sie es z.B. schaffen können 10m tief zu tauchen oder 1 Minute lang die Luft anzuhalten. Sie haben es schon etliche Male versucht, kommen aber über eine sehr kurze Zeitspanne nicht hinaus. Diese Menschen muss ich erst einmal weglenken von dem Druck, eine bestimmte Zeit oder Tiefe zwingend erreichen zu müssen. Sie gehen so verkrampft an die Sache heran, dass sie schon mit Luftnot beginnen bevor sie überhaupt den Kopf unter Wasser haben. Nur wenn man entspannt abtaucht und es schafft loszulassen, kann man längere Zeiten oder Tiefen erreichen. Dazu gehören bestimmte Entspannungs- und auch Atemtechniken. Schon allein durch die richtige Atmung können wir unseren Puls sehr stark verlangsamen und je langsamer unser Puls umso weniger Sauerstoff wird verbraucht und umso länger können wir ohne Luft sein. Kommen dann noch bestimmte Entspannungsübungen hinzu, ist man optimal vorbereitet auf seinen Tauchgang. Es gibt sehr viele verschiedene Entspannungsübungen. Manche machen Yogaübungen, manche machen Qigong, manche versetzen sich in angenehme Traumwelten – jeder muss da seinen Weg finden, was ihm Spaß macht und was ihm guttut. Und wenn jemand diese Entspannungsübungen gar nicht mag, kann er auch schon allein durch die Konzentration auf den eigenen Atem viel erreichen.

Sehr wichtig ist auch eine gute Technik, denn nur mit einer guten Technik gelingt es einem abzutauchen ohne unnötigen Kraftaufwand, kann man die Flossen optimal einsetzen und eine entspannte Körperhaltung einnehmen. Ich erinnere mich noch sehr gut daran, wie mein Trainer damals mit mir fast eine Stunde lang nichts Anderes geübt hat als das stilgerechte Abtauchen. Heute bin ich ihm dankbar dafür, denn nur so gelingt es mir abzutauchen ohne dass die Flossen an der Oberfläche wild herumwedeln und ohne dass ich schon beim Abtauchen unnötig Sauerstoff verschwende durch zu kräftige Bewegungen. Es ist wunderschön manchen Freedivern zuzuschauen, wie sie elegant durch das Wasser gleiten, wie sie sich scheinbar ohne jede Kraftanstrengung fortbewegen und absolut eins mit dem Wasser sind. Doch genau das ist nur mit einer guten Technik möglich.

Was braucht man zum Freediving? Im Gegensatz zum Gerätetauchen braucht man nicht viel: Maske, Flossen, Schnorchel und je nach Wassertemperatur noch Anzug und Bleigurt mit Hartblei. Auch das macht die Leichtigkeit beim Freitauchen aus. Man ist nicht schwer bepackt, sondern kann leichten Schrittes zum See gehen und ebenso leicht sich im Wasser bewegen. Rein theoretisch kann man, gerade zu Anfang, erst einmal mit der Ausrüstung tauchen, die man evtl. schon vom Gerätetauchen hat. Allerdings sind die Fersenbandflossen nicht geeignet, viel zu groß ist die Gefahr sich damit in der Leine zu verfangen. Hier braucht man auf jeden Fall Fußflossen. Doch wie man auch beim Gerätetauchen viel mehr Spaß hat mit einer guten funktionstüchtigen Ausrüstung, so geht auch das Freitauchen wesentlich leichter mit einer speziellen Apnoeausrüstung. Hier fallen vor allem die langen schmalen Flossen ins Auge. Diese ermöglichen einen maximalen Vortrieb bei minimaler Anstrengung. Die Maske sollte ein möglichst kleines Innenvolumen haben, denn nur so verschwenden wir nicht unnötig Atemluft beim Herstellen des Druckausgleichs in der Maske. Sehr praktisch ist auch ein leichter biegsamer Schnorchel, da er sich der Kopfform leichter anpasst und nicht unnötig hin- und herschwingt. Wer nicht frieren möchte, sollte sich einen Apnoeanzug gönnen. Dieser ist aus einem sehr weichen offenzelligen Neopren, das sich optimal an die Haut anschmiegt und kaum Wasser reinlässt. Mit einem solchen Anzug hat man auch eine deutlich bessere Beweglichkeit. Möchte man gerne in die Tiefe tauchen, braucht man noch eine Boje mit Seil und Grundgewicht. Es gibt noch einige zusätzliche Ausrüstungsgegenstände, die sehr hilfreich sind. Doch das lernt man alles in einem Freediving-Kurs, wo man das eine oder andere auch ausprobieren kann.

Es gibt im Freitauchen drei verschiedene  Disziplinen. In einem Freediving-Kurs lernt man alle drei Disziplinen kennen und wird sehr schnell merken, welche einem am ehesten liegt. Es macht Sinn, alle drei zu trainieren um sich so optimal weiterentwickeln zu können. Beim Apnoetauchen denken die meisten – bedingt durch die Tieftauchrekorde, von denen man gelegentlich hört – zunächst erst einmal nur an das Tieftauchen. Dabei taucht man an einer Leine entlang zum Grund in die Tiefe und wieder nach oben. Beherrscht man die richtige Technik, kämpft man sich nicht nach unten, sondern wendet nur die ersten Meter richtig Kraft auf und lässt sich dann irgendwann einfach nur noch fallen. Das kann ein sehr schönes Gefühl sein – denn wie selten können wir das noch – uns einfach mal fallen lassen. Eine andere Disziplin ist das Streckentauchen. Dabei legt man im Pool auf einer gleichbleibenden Tiefe eine bestimmte Strecke zurück. Wer sich selber gerne herausfordert oder gerne auspowert, findet hier bestimmt seine Leidenschaft. Denn der Reiz immer wieder mal eine Bahn mehr zu schaffen kann ein guter Ansporn sein. Wem es vor allem um die Entspannung geht, der wird sich am ehesten beim statischen Zeittauchen wohlfühlen. Bei dieser Disziplin liegt man einfach nur mit dem Gesicht nach unten im Wasser, lässt sich auf der Wasseroberfläche treiben und hält den Atem. Wenn man es schafft, sich ganz darauf einzulassen und alles um sich herum auszublenden, verliert man Raum und Zeit und gewinnt eine nie dagewesene Leichtigkeit.

Viele Freitaucher, die bei mir einen Kurs gemacht haben, berichten mir, dass sie durch den Freediving-Kurs nicht nur eine neue Sportart kennengelernt haben, sondern auch eine neue Einstellung zu sich selber. Man lernt wieder ganz neu, nicht nur nach außen zu schauen, sondern auch nach innen. Und das kann eine sehr befreiende Erfahrung sein. Ich selber liebe grundsätzlich beim Tauchen die Schwerelosigkeit. Ich liebe es, in einer anderen Welt zu sein, fern von allem was an der Oberfläche ist. Beim Freitauchen allerdings empfinde ich durch die eleganten Bewegungen und durch die leichte Ausrüstung diese Schwerelosigkeit deutlich stärker. Ich liebe es, in Apnoe durch den See zu tauchen und die Unterwasserwelt zu beobachten. Dabei ist mein Blick wesentlich fokussierter und ich genieße es, jedes Detail in mich aufzunehmen. Es braucht nicht viel zum Freediving – aber es kann einem sehr viel geben!