Der Nordstrand

Aus Thüringen: Tauchen am Stadtrand von Erfurt

Wer als Taucher im Sommer an den Nordstrand in Erfurt fährt, einer ehemaligen Kiesgrube, ist dort vielleicht nicht gleich „aus dem Häuschen“. In dem Naherholungsgebiet halten sich zu der Zeit natürlich viele badefreudige Besucher auf. Zudem brettern noch permanent einige Freunde des Wasserskifahrens mittels der stationär vorhandenen Anlage übers Wasser. Wer erst dann noch erfährt, dass die maximale Tiefe des Sees neun Meter beträgt, zeigt schon mal die Zähne. Danach macht sich aber doch ganz allmählich Begeisterung breit, zum Beispiel beim ersten Blick von außen ins Wasser. „Donnerwetter, hätte ich nicht gedacht.“, ist dabei ein gängiger Kommentar. Weiter: Tauchbasis, Parkplatz, Anrödelbänke und ein kleines Restaurant – alles befindet sich dicht beieinander und der Weg zum Wasser ist nicht weit. Ins Wasser führt eine komfortable Treppe.

Der Tauchgang beginnt. Prima, die Sichtweite unter Wasser hält, was sie von draußen versprochen hat, schätzungsweise acht Meter. Wir tauchen zunächst nach links, sozusagen ins Tannenwedel-Paradies. Diese wunderschöne Wasserpflanze gibt es hier ohne Ende. Ob mit der Sonne im Rücken oder im Gegenlicht, der Anblick eines regelrechten Dschungels ist schon beeindruckend.
Den Verwendungszweck einiger Rohre von damals können wir nur erahnen: Sicher zum Entfernen von Wasser aus der Kiesgrube. Wir nähern uns dem ersten Badeplatz und kehren deswegen um.

Vorbei am Einstieg, sind nun im und unter dem dichten Gesträuch entlang des Ufers die angekündigten Monsterkarpfen zu sehen. Das heißt, erst sehen wir die Schlammwolken, welche sie beim Gründeln erzeugen. Karpfen, vor allem von der Größe, sind in einem Tauchgewässer Fluch und Segen gleichzeitig. Wer möchte bei seinen Tauchgängen nicht so große Fische sehen?

Weiter in den Nordstrand hineintauchend, bezaubern uns förmlich die Wiesen von Wasserpflanzen, allen voran wieder der Tannenwedel. Komisch, alle reden sonst immer nur von großen Fischen, Plattformen, Wracks oder sonst was, kaum jemand mal von schönen Pflanzen. Dann sind wieder große Rohre zu sehen, dieses Mal vertikal angeordnet. Es ist die ehemalige Pumpstation, wo letztendlich das Wasser aus der Grube gepumpt wurde. Die mächtigen Rohre erfüllen immer noch einen guten Zweck, als Kulisse für Fotos von Tauchpartnern und, um niemanden weiblichen Geschlechts auf die Palme zu bringen, von Tauchpartnerinnen. Weiter am Ufer entlang tauchend, sehen wir mit Begeisterung, wie an einigen Stellen die Pflanzen nahtlos bis zwischen ins Wasser hängende Äste von den Bäumen und Sträuchern wachsen, die draußen das Ufer säumen. Ein großer Hecht ergreift die Flucht. Wenn der wüsste, was er mit seinen Zähnen anrichten könnte. Wir drehen ab und steuern wieder den Einstieg an. Minuten später zeigt sich an der Sichtgrenze der „größte Hecht aller Zeiten“ – leider, wie wir beim Näherkommen feststellen, ist er aus Holz. Niemand mit Unterwasserkamera, egal welche, kommt an dem vorbei, ohne ein Foto anzufertigen. Dann sind wir wieder am Einstieg.

Außerhalb der Zeiten, wo die Wasserskianlage in Betrieb ist, kann der ganze See erkundet werden. Wer dabei nicht mindestens eine große Schleie findet, ist selber schuld. Auch Tiefenfanatikern sei geraten, solche Gewässer nicht auszulassen. Uns ist die Faszination der Tiefe wohl bekannt, ohne meistens dabei etwas berauschend Schönes vorzufinden. Aber, wer hat keine Freude daran, wie in einem großen Garten mit Pflanzen und Tieren zu tauchen? Erreicht man dabei nicht mal die 10 m-Tiefenmarke, ist das garantiert auch was für den Nachwuchs und für die nicht so tauchverrückte Ehehälfte sowie Freundin und dergleichen.

Ein Ausflug nach Erfurt lohnt sich immer, auch der schönen Altstadt wegen.

Text und Bilder von Alena und Dietmar Steinbach | Zwickau, den 12.11.2020